14 April 2008

Deutschlandpremiere von Peter and the Wolf


Um viertel nach sieben kommt ein junger Mann mit zwei nicht allzu großen Taschen - dafür aber einer sehr großen Sonnenbrille und einem Ski-Anorak - eine schmucklose Bochumer Ausfallstraße heruntergewandert. Es ist der Red Hunter a.k.a. Peter & the Wolf aus Austin, Texas auf dem Weg zu seinem ersten Deutschlandkonzert in der Goldkante. Noch nicht mal eine Gitarre hat er dabei. Sein einziger Begleiter wird eine Ukulele sein, die er um etwa halb neun - es ist inzwischen dunkel geworden - das erste mal anschlägt.

Ab diesem Moment verstummt unter 50 jungen Menschen für eine Stunde jedes Gespräch. Es herrscht so andächtige Ruhe, dass Red nach einigen Songs hinter dem Mikrofon hervorkommt und unverstärkt in den Raum hineinspielt. "I don't like microphones. Microphones tell lies. They make robots out of us." Der verquere Humor bleibt rätselhaft, auch als er über die deutsche Musikgeschichte spricht, die ja nur ein oder zwei große Namen hervorgebracht habe. Meint er Mozart und Bach oder Kraftwerk und Rammstein? Sein Abschlussplädoyer lässt auf die Robotervariante schließen: "I'm the operator with the pocket calculator". Im weiteren Laufe des Abends kommt es noch zu einigen weiteren Irritationen zwischen Künstler und Zuschauern, so bei der Frage nach Publikumswünschen ("No, that's a Grizzly Bear song. I don't play Grizzly Bear songs."). Auch "Don't Fear the Reaper" von Blue Oyster Cult möchte er nicht spielen.

Der gegenseitigen Zuneigung tut dies keinen Abbruch und am Ende blickt der Red Hunter in ein tatsächlich glückseliges Publikum, das zum Zeugen einer erstklassigen Entstaubung des leidigen Freak-Folk-Mythos geworden war. Unter der Oberfläche des Skurilen waren funkelnde Songperlen zum Vorschein gekommen, die mich an das Pre-Dylan-America und an, ähm, Billie Holiday erinnern. Viele sind der Meinung, dass 5€ Eintritt für solch eine Veranstaltung eindeutig zu wenig sind und kaufen deshalb noch selbstgebrannte und -bemalte CDs. 10€ kosten die, denn der Red Hunter möchte so seine nächste Europatournee (mit Band!!!) finanzieren. Das könnte klappen, denn im Gespräch mit dem Ornithologen erzählt er, dass man nicht viel Geld braucht, wenn man fast nichts besitzt und zwei Taschen für all seine Habseligkeiten genug sind. Wenn man mit soviel Charme, einer großartigen Stimme und so grandiosen Songs gesegnet ist wie Peter and the Wolf, scheint man tatsächlich mit so wenigen Dingen auszukommen. Wir machen uns auf den Nachhauseweg in dem sicheren Wissen, heute nichts weniger als einen denkwürdigen Abend miterlebt zu haben.

Link: Peter and the Wolf - Daytrotter Sessions

1 Comments:

Blogger Clicky Overload said...

Ah, endlich ein aufschlußreicher Review, der Großes für heute abend hoffen läßt!
Eine Ukulele! Keine Songs von Grizzly Bear! Kraftwerk!

15 April, 2008 10:14  

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